Altstädter Gemeinde zu Kassel

Wiederherstellung der historischen Vasa-Sacra

Am 05. April 2014 wurden bei einem Einbruch in das Pfarrhaus der Neuen Brüderkirche in Kassel-Wesertor, mehrere Vasa Sacra entwendet, die dort für die bevorstehenden Osterfeierlichkeiten zwischengelagert wurden. Der Raub wurde in der Gemeinde mit großem Entsetzen aufgenommen, da die sakralen Gegenstände nicht nur sehr alt und wertvoll sind, sondern auch das Selbstverständnis und die Tradition der Gemeinde spiegelten. Am 28. Mai 2014 teilte die Polizei mit, dass Teile der Vasa Sacra gefunden wurden. Sie waren im Besitz eines Drogenabhängigen, der am Entenanger vor der Martini-Apotheke stürzte und sich verletzte. Herbei geeilte Passanten und ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes wollten helfen und Krankenwagen und Polizei rufen. Der Verletzte rannte fort und ließ eine Tasche mit Einbruchswerkzeug und den geraubten Vasa Sacra zurück. Der Mann konnte kurze Zeit später identifiziert und gefasst werden. Obwohl sich an den Vasa Sacra seine DNA fand, wurde er am 20.01.2015 lediglich der Hehlerei überführt und im Zusammenhang mit einem anderen Einbruch zu einer zweijährigen Haftstrafe in Merxhausen verurteilt. Die Vasa Sacra wurden so stark beschädigt, dass sie erst durch Begutachtung durch den Kirchenvorsteher Christian Klobuczynski M.A. identifiziert werden konnten. Leider fehlten eine Abendmahlskanne und zwei kleine Teile.

Gefunden wurde der vorreformatorischer Kelch, der vermutlich um 1450 angefertigt wurde und durch die feine Ausführung des Nodus als Meisterwerk damaliger Silberschmiedekunst angesehen werden kann. Der Kelch wurde vermutlich in der Stadtkirche St. Cyriakus verwendet, deuten die zwei Löcher im Fuß auf das Vorhandensein eines kleinen Kreuzes hin, wie es solche auch heute noch bei römisch-katholischen Vasa Sacra gibt. Bei der Wandlung hob der Priester den Kelch an und konnte auf das kleine Kreuz blicken. Da mit der hessischen Reformation 1526, die Gemeinden, bis auf einen Kelch, alle ihre Vasa Sacra abgeben mussten, ist dieser Kelch etwas ganz Wertvolles. Die Cuppa, das eigentlich Trinkgefäß, war vielleicht mal beschädigt worden oder für den Gemeindegebrauch auch einfach viel zu klein. Deshalb wurde diese durch eine große Cuppa ersetzt. So legt dieser Kelch Zeugnis ab über das neue Verständnis des Herrenmahls als Gemeinschaftsmahl.

 

Als zweitältestes aufgefundene Stück eine Brotschale, die mit Godronen und Gravuren, sowie einer Feuervergoldung versehen wurde. Die Schale wurde im frühen 17. Jahrhundert angefertigt und steht im Zusammenhang mit der Einführung des Brotbrechens in der Altstädter Gemeinde am 09. August 1607. Somit ist die Schale deutschlandweit ein Beispiel für reformiertes Abendmahlsverständnis und in ihrer Art einzigartig. Die Schale ist durch die Diebe so stark beschädigt worden, das die Wiederherstellung eine große Herausforderung für einen Silberschmied darstellt.

Das drittälteste Objekt ist die 21cm hohe und immer noch fehlende Abendmahlskanne, die dem Vorbild der 23cm hohen "Erfurter Kanne" von 1609 folgt und die kleinste von insgesamt fünf Abendmalskannen der Gemeinde ist. Die Kanne wurde vom damaligen 24jährigen Hofgoldschmied und späteren Gildemeister Christoff Bucher aus Kassel hergestellt. Sie ist eine Stiftung von Peter Lintlo, wie die Stiftergravur zeigt. Mit ihr entstand gleichzeitig eine 26,5cm hohe Kanne, die lediglich durch Größe und Gravur von der kleinen zu unterscheiden ist. Die größere Kanne wurde von Gerhard Lintlo und einer Schwäne Stockmann gestiftet. In der unteren Wandung haben beide Kannen je drei Zeilen Gravur. In der oberen Wandung hat die große Kanne vier und die kleine Kanne drei Zeilen Gravur. Beide Kannen haben im Fußring ein Rautenmotiv. Die kleine Kanne war bis zuletzt im Gebrauch und fällt wegen ihrer Form nicht als sakraler Gebrauchsgegenstand auf. Die Hoffnung, dass sie einst gefunden wird, ist deshalb groß.

Das viertälteste Objekt ist eine 25,5cm hohe Taufkanne, die vom 43jährigen Silberschmied Johannes Rieß 1665 hergestellt wurde. Sie ist eine Stiftung des Dirigenten Hieronimus Gallen und in Teilen feuervergoldet.

Das jungste Gerät ist wieder ein Abendmahlskelch, der nach seinem Meisterzeichen von Friedrich Hermann Jacob Spiecker zwischen 1822 und 1837 für die Gemeinde in Kassel hergestellt wurde. Dieser Kelch ist ebenfalls aufs schwerste beschädigt worden.

Der Kunstreferent des Landeskirchenamts, Dr. Pfeiffer, zog den Würzburger Goldschmied Markus Engert zur Begutachtung der Schäden heran. Dieser konnte durch seine Fachkenntnisse überzeugen und aufgrund seiner Möglichkeiten ein Angebot ausfertigten. Nach intensiven Gesprächen entschied sich der Kirchenvorstand am 18. April 2016, dass Herr Engert den älteren Abendmahlskelch wiederherstellen soll und der Kirchenvorsteher Christian Klobuczynski M.A. in der Angelegenheit der Wiederherstellung der Vasa Sacra federführend tätig wird.

Da die vorhandene Gruppenversicherung den Schaden in vorliegender Höhe nicht reguliert, reicht die Versicherungssumme erst einmal nur für die Wiederherstellung des älteren Kelches. Da die Gemeinde einen diakonischen Schwerpunkt in einem sozialen Brennpunkt bildet, kann diese keine eigenen Mittel zur Verfügung stellen. Bereits für die Brotschale muss also mit Spenden gearbeitet werden.

Nach fast einjähriger Abwesenheit ist der restaurierte ältere Kelch wieder aus Würzburg zurück. Am 31. März 2017 wurde er von Goldschmied Engert dem Kirchenvorstand übergeben. Eine freudige Stunde für alle Anwesenden in der Neuen Brüderkirche.



Die Übergabe der zerstörten Teile der Brotschale kann erfolgen, wenn genügend finanzielle Mittel gesammelt wurden. Deshalb geht die Gemeinde nun in die Öffentlichkeit und wirbt aktiv um Spenden. Ein wichtiges Argument für die Wiederherstellung und Nutzung der Vasa Sacra ist, dass sie für diesen Zweck gestiftet wurden, und ihre religiöse Bedeutung weit über dem finanziellen Wert liegt. Die Altstädter Gemeinde der Brüderkirche war immer eine der ärmsten Gemeinden der Stadt und kümmerte sich vorbildlich um die Armen dieser doch reichen Stadt. Gerade deshalb haben die Stifter, auch in sehr schweren Zeit, viel Geld in die Hand genommen und gegeben. Hunderttausende Abendmahlsgäste haben aus den Kelchen getrunken und von der Schale gegessen und bilden bis heute und hoffentlich auch noch in Zukunft eine Abendmahlsgemeinschaft, wie sie von Christus aufgetragen wurde. Das der Gemeinde die Vasa Sacra wichtig sind, zeigt, dass sie drei große Kriege überstanden und sorgsam gehütet wurden. Es wäre mehr als bedauerlich, wenn sie in heutiger Zeit aufgrund von Vernachlässigung zugrunde gehen würden.

Für Spender hat die Gemeinde folgendes Konto einrichten lassen:

Stadtkirchenkreis Kassel
IBAN: DE30 5206 0410 0002 2002 01
BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: Spende Abendmahlsteller (Hoffnungskirchengemeinde)

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